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Kleiner Lichtblick in Haiti
Aus Echo der Zeit vom 28.04.2024. Bild: Keystone
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Karibikstaat in der Krise «In Haiti herrscht so etwas wie Zuversicht»

Bewaffnete Banden und eine Hungerkrise: In Haiti herrscht Chaos. Nun unternimmt das Land einen neuen Versuch, die Lage zu stabilisieren. Ein Präsidialrat mit Vertretern verschiedener politischer, zivilgesellschaftlicher und religiöser Gruppen hat seine Arbeit aufgenommen. Die neun Mitglieder sollen eine Übergangsregierung ernennen und den Weg zu Wahlen ebnen. Es wären die ersten Wahlen in Haiti seit 2016. Kann dieser Rat Haiti aus der Staatskrise führen? Journalist Toni Keppeler ordnet ein.

Toni Keppeler

Toni Keppeler

Journalist

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Toni Keppeler war langjähriger Korrespondent für Mittelamerika und die Karibik für die deutsche Tageszeitung taz und die Weltwoche. Er arbeitet als freier Journalist in Deutschland und El Salvador.

SRF News: Wie viel Rückhalt hat dieser Rat in der Bevölkerung?

Toni Keppeler: Das ist sehr schwierig einzuschätzen. Das Positive an diesem Übergangsrat ist, dass er ein sehr breites politisches Spektrum abdeckt. Das geht von Parteien, die sehr nahe bei diesen kriminellen Banden stehen, bis hin zu Leuten aus der Zivilgesellschaft und Leuten, die dem ehemaligen Präsidenten Jean-Bertrand Aristide sehr nahestehen. Doch alle kommen aus der politischen Elite. Sie haben wenig Kontakt zur breiten Bevölkerung. Das macht mich skeptisch. Und von daher kann man auch schwer einschätzen, wie sehr sie akzeptiert sind.

Haitis neuer Interimspremierminister Michel Patrick Boisvert spricht.
Legende: Haitis neuer Interimspremierminister Michel Patrick Boisvert (im Bild) wendet sich am 25. April an das Publikum. Ein Übergangsrat soll dabei helfen, die Stabilität in dem Land wiederherzustellen. REUTERS/Pedro Valtierra

Mächtige kriminelle Banden kontrollieren weite Teile des Landes und 80 Prozent der Hauptstadt Port-au-Prince. Werden diese Banden nun freiwillig auf Macht verzichten, im Interesse einer besseren Zukunft?

Im Prinzip nicht. Sie haben auch schon gesagt, sie würden alles tun, um gegen diesen Übergangsrat zu arbeiten. Bei der Vereidigung hat man im Hintergrund Schüsse gehört. Es ist eher zu erwarten, dass die Übergangsregierung und die später von ihr ernannte Regierung endlich etwas gegen die Gewalt tun. Der bisherige und zurückgetretene Übergangsministerpräsident Ariel Henry hat in den letzten Monaten nichts gemacht.

Was genau ist zu tun?

Der Flughafen und der Hafen von Port-au-Prince sind im Prinzip in der Hand von Gangs und deswegen geschlossen. Es kommt daher nichts in die Hauptstadt rein, es gibt immer weniger Lebensmittel. Die erste Aufgabe wäre die Rückeroberung dieser beiden Orte.

In ein paar Wochen kann man dann sagen: Es besteht Hoffnung oder es war ein gescheiterter Versuch.

Sind die Sicherheitskräfte dazu überhaupt in der Lage?

Einer meiner Informanten kennt die Polizei in Haiti sehr gut. Er sagt, die Polizei ist nicht so schlecht, wie sie aussieht. Was fehlt, ist politische Führung. Deswegen erhofft er sich von diesem Übergangsrat und von der Regierung, die von diesem ernannt werden wird, wieder so etwas wie politische Führung.

Wird es diesem überparteilichen Rat und einer künftigen Übergangsregierung gelingen, bald faire und freie Wahlen zu organisieren?

Da würde ich erst mal noch ein bisschen abwarten. Mit dem Rat ist ein breites Spektrum abgedeckt. Bislang haben sie sich nur gestritten, wie sie gemeinsam zurechtkommen. In ein paar Wochen kann man dann sagen: Es besteht Hoffnung oder es war ein gescheiterter Versuch. Aber es gibt Zeit: Erst am 7. Februar 2026 muss der neue Präsident vereidigt werden.

Verbrannte Fahrzeuge und zwei unverletzte Personen auf einer zerstörten Strasse in Port-au-Prince..
Legende: Der Präsidialrat hat die Aufgabe, eine Übergangsregierung zu ernennen. Und er soll den Weg für Wahlen ebnen. Es wären die ersten Wahlen in Haiti seit 2016. Reuters/Ralph Tedy Erol (25.03.2024)

Wie wird das in der Bevölkerung gesehen?

Meine Freunde in Haiti sind sehr viel optimistischer als ich. Es sei ein Schritt in die richtige Richtung. Ohne den würde gar nichts gehen. Es herrscht so etwas wie Zuversicht.

Das Gespräch führte Iwan Lieberherr.

Echo der Zeit, 28.04.2024, 18 Uhr;

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